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Lehrergesundheit & Leidenschaft

Kollege Mess schrieb zuletzt über die „Woche der Lehrergesundheit“.
Als Mitglied einer Familie mit vielen Krebstoten, treibt mich das das unentwegt an: Möglichst intensiv, möglichst gesund leben. In Zeiten, da „Lehrer“ häufig negativ konotiert ist, alltenhalben übeLehrergesundheit & Leidenschaft 1r Lehrermangel gesprochen wird und das Bildungssystem systematisch unterfinanziert wird, gewinnt das Thema „Lehrergesundheit“ zusätzlich an Bedeutung: Wie können wir diejenigen, die (noch) da sind, schützen? Eine Aufgabe von Schulleitung ist auch die Fürsorgepflicht gegenüber den Kolleg:innen. Dazu drei kurze Geschichten:

Erstens: Eine Schachnovelle

Ein Kollege bei uns an der Schule ist passionierter (und durchaus erfolgreicher) Schachspieler. Mit viel Engagement und Begeisterung hat er eine Schach-AG ins Leben gerufen und sorgte dafür, dass mitunter während der Pausen auf dem Schulhof einzelne Partien stattfanden. In diesem Jahr hat er ein schulweites Schachturnier ins Leben gerufen, Vorrunden und Finalspiele terminiert und organisiert. Es gab Zuschauer und Anfeuerungen, es wurde gegrübelt, gemurmelt und geflucht und nach vielen Wochen gab es am Ende eine überraschende Siegerin aus der Mittelstufe.

Dem Kollegen hat das soviel Spaß bereitet, dass er drei andere Schulen der Stadt kontaktiert und für das zweite Halbjahr ein weiteres Turnier ins Leben gerufen hat: Vier Schulen spielen gegeneinander. Erster bis vierter Platz kann eine Pizza gewinnen – es geht ein bisschen um die Ehre, aber vor allem um den Spaß.

All das kostet Energie und Zeit.

Lehrergesundheit & Leidenschaft 2Zweitens: Huhnited

Vor zwei Jahren habe ich mit meinem Technik-Kurs ein Fachwerkhaus gebaut, das ursprünglich mal als Hühnerhaus hätte fungieren sollen. Bedauerlicherweise habe ich seitdem zum einen keinen Technikkurs mehr in der passenden Jahrgangsstufe gehabt und zum anderen (und deutlich gravierender): Das Land NRW hat die Lehrpläne für Technik & Hauswirtschaft eingestampft und daraus das Fach „Wirtschaftslehre“ gebastelt. Wo früher Praxis und Umsetzung im Vordergrund standen, gibt es zukünftig Arbeitsblätter und Lesetexte. (Ich knirsche mit den Zähnen).

Nun. Drei wunderbare Kolleginnen haben mit einer Handvoll Schüler einen Plan entworfen, was sie mit dem (nie fertig gestellten) Fachwerkhaus anfangen wollen. Sie haben ein Werbevideo erstellt und sich bei einem Wettbewerb der Sparkasse beworben: Unter dem Motto „Huhnited“ wollen Sie das Haus fertigstellen, den wild wuchernden Garten zurechtschneiden, das alte Gewächshaus wieder Instand setzen und endlich Hühner halten.

Heute war die Preisverleihung und die Gruppe hat nicht nur in der „Kategorie Platin“ einige tausend Euro gewonnen, sondern zusätzlich einen vierstelligen Nachhaltigkeitspreis erhalten.

All das kostet Energie und Zeit.

Drittens: Seniorexperte

Diesen Sommer ist aus dem hiesigen ZFSL (das ist das Lehrer-Ausbilder-Seminar) ein Kollege in den Ruhestand getreten. „Aber“, meinte er, „ich fühle mich noch gar nicht nach Ruhestand.“

Mit einer Schnapsidee trat er an uns heran: Für Vertretungsunterricht als Springer sei er zu alt, aber vielleicht könne man sich ihn als eine Art „Coach“ vorstellen. Jemand, der über viele, viele Jahre nicht nur selbst unterrichtet hat, sondern tausende von Unterrichtsstunden hospitiert, analysiert und begleitet hat. Jemand, der praktisch alle Schulen des Landkreises gesehen hat und über einen immensen Erfahrungsschatz verfügt. Wie praktisch alle Schulen haben auch wir mehr offene Stellen als Bewerber, die sie zu füllen vermögen.

„Die Kolleginnen und Kollegen könnten auf mich zugreifen, wenn sie Beratung wollen. Oder Feedback. Oder einfach nur mal einen zweiten Blick.“

Thema Lehrergesundheit: Ein Coach. Jemand, der mich bestärkt, vielleicht wunde Punkte aufzeigt, Ideen hat und zur Seite steht. Thema Lehrergesundheit.

Was für eine verrückte Idee. Was für eine wunderbare Idee.

Spannend war vor allem, ob das Angebot im Kollegium überhaupt wahrgenommen wird: Ich höre oft, dass Lehrer:innen oft Einzelkämpfer sind. Jemanden in den Klassenraum lassen? Ungern! Was sollen denn die Leute denken?

Und bei uns? Der Kollege wird öfter angefragt, als er Stunden hat. Und ich liebe alles daran!

Fazit

Ich glaube, dass das Thema Lehrergesundheit auch durch diese Faktoren bestimmt wird: Kann ich meine Leidenschaft, meine Passion ausleben? Darf ich mich in irgendeiner Form einbringen? Und: Erlebe ich mein Kollegium als unterstützendes Netzwerk? Finde ich Hilfen, Stützen, Ratschläge?

Der Job ist und bleibt (und wird) belastend. Aber ich liebe mein Kollegium dafür, dass sie ihren Leidenschaften nachgehen und dass wir an so vielen Stellen ein Kollegium mit offenen Türen sind: Ja, schau herein und erzähl mir, was du siehst.

(Ich würde wahnsinnig gerne bei ganz vielen meiner Kolleg:innen hospitieren – aber ich traue mich kaum zu fragen: Da schwingt zu schnell ein „oh, die Schulleitung kommt und bewertet mich“ mit – dabei bin ich einfach nur neugierig und will lernen, lernen, lernen. Das ist vielleicht meine Passion.)

Ein Gedanke zu „Lehrergesundheit & Leidenschaft“

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