Im morgendlichen Beratungsband meiner Klasse haben wir (wie fast jeden Morgen) die ‚Tagesschau in 100 Sekunden‘ geschaut und eine ganze Menge Fragen gehabt:
Rechtsruck (?) bei der Wahl in Portugal. Die Sozialisten (?) haben verloren, die Konservativen (?) gewonnen. Nach der Parlamentswahl (?) wird es schwierig, eine Regierung (?) zu bilden. Viele komische Begriffe, die erklärt werden wollen.
Spannend wurde es in meiner Mathestunde: Ich bat die Kinder, ihre Handys auf „laut“ zu stellen und sie dann auf den Gruppenarbeitstisch im Klassenraum zu legen. Wir haben in den letzten Wochen immer wieder mal über das Ablenkungspotenzial der Geräte gesprochen und darüber, wie leistungshemmend sie wirken, auch wenn sie im Ranzen verbleiben.
Die Schülys schätzten, wie oft die Geräte im Verlauf der Stunde bimmeln würden: Die Vermutungen gingen von 3 bis 50 Mal. Daraus berechneten wir den Durchschnitt (unser aktuelles Thema) und bereiteten uns auf die Klassenarbeit vor – immer wieder unterbrochen vom Bimmeln der Geräte: Snapchat, TikTok, Whatsapp, Mails, diverse Spiele.
Die Strichliste an der Tafel wuchs und wuchs: 32 Mal wurden wir am Ende unterbrochen – von etwa 15 Handys. In der Klasse 6 haben nicht alle eine Handy und von denen, die eines haben, haben nicht alle eine Internetflatrate.
Morgen früh werde ich die Tagesschau ausfallen lassen: Statt dessen werden wir nochmal darüber sprechen, welche Auswirkung die ständige Beschallung auf ihr Lernverhalten hat. „Ein Teil eures Hirns ist ständig damit beschäftigt, aufzupassen ob man vielleicht, eventuell eine Benachrichtigung erhalten hat. Jetzt! Ja! Oder doch nicht?“
Andere Klassen sammeln die Smartphones morgens ein und geben sie zur Mittagspause wieder heraus. Ich wünsche (und erhoffe mir), dass die Klasse aus sich selbst heraus zu dieser Entscheidung kommt, ohne, dass ich sie von oben auferlege.
Gute Idee zur Selbstreflexion! (Dass trotzdem die Geräte über kurz oder lang stärker sein werden als die Vernunft der Schülys, liegt nicht an der Erkenntnisschwäche letzterer …)
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