Gerade steht der Aufklärungsunterricht an. Sex und so.
Die Kinder mögen es, dem ein oder anderen “hängen die Penisse zum Hals raus”. Zu Beginn der Einheit habe ich die Klasse in heterogenen Gruppen sinnvolle Regeln erstellen lassen. “Wir lachen miteinander und nicht übereinander.” “Was in der Klasse besprochen wird, bleibt in der Klasse.” “Keine blöden Kommentare.” Anschließend habe ich die Schüler nach Geschlechtern getrennt und ihnen aufgetragen, auf große Plakate einen Jungen und ein Mädchen zu skizzieren und die – aus ihrer Sicht – wichtigsten Regeln in die Figuren reinzuschreiben.
Ein Chaos brach aus.
Zumindest bei einem Geschlecht.
Die Mädchen hatten schnell eine Vorlage für die Skizze gefunden und die Arbeit aufgeteilt. Einige arbeiteten an den Füßen, einige an den Armen, dem Kopf und so weiter. Irgendwann fiel auf, dass meine beiden Glasknochenmädels nicht an die hohen Tische heranreichen und entsprechend nicht mitzeichnen konnten, also wurde umgebaut. Insgesamt wurde ruhig und zielstrebig gearbeitet.
Die Jungs hingegen verwandelten sich in Höhlenmenschen. Wild wurden Anweisungen gebrüllt und Befehle erteilt, die niemand befolgte. Schuldige wurden ausgemacht und ordentlich zurechtgewiesen. Das erste, Modell hatte einen tomatengroßen Kopf und wurde erneuert – das Ergebnis ist jedoch nicht viel besser geworden: Zu mehr als drei Fingern hat es nicht gereicht.
Irgendwann brach ich die Arbeitsphase ab, hängte die Poster auf und bat um Feedback. Wie haben die Kinder die Arbeitsphase empfunden? Warum ist ein Poster qualitativ deutlich besser, als das andere?
Für die Jungs die Antwort naheliegend: “Die Mädchen hatten einen Boss, der bestimmt hat, wo es langging, und wir hatten den nicht.”
”Aha! Mädels – wer war denn bei euch der Boss?”
Die Mädchen schauten sich ratlos an. Boss? “Niemand! Wir haben einfach alle gearbeitet.”
Nach all den vielen tausend Jahren, habe ich den Jungs erklärt, benehmen wir uns immer noch wie Neandertaler: Wer am lautesten mit der Keule auf den Tisch haut, hat das sagen. “…und ihr habt jetzt fünfzehn Minuten lang wie die Höhlenmenschen mit der Keule um euch geschlagen um zu zeigen: Ich bin der größte und stärkste hier!” Zur Betonung schlage ich mir wie Tarzan auf die Brust.
Verstohlenes Grinsen. Irgendwann lautes Gelächter über die Einsicht und das bescheidene Ergebnis.
Heute dann ein langer Sex-Projekttag mit den Sozialarbeiterinnen der Schule und einer Mitarbeiterin der Siegener Mädchen-Notruf-Zentrale. Spannende Fragen und immer wieder die Erkenntnis, dass meine Schüler miteinander sehr gut auskommen.
Nebenher beschäftigen mich noch Umzug und Umbau meines neuen Hauses. Außerdem ist nächste Woche Elternsprechtag. Und ich darf einen Praktikanten ein wenig unterrichten lassen. Überdies hat mich der SPIEGEL angefragt, ob ich nicht hin und wieder etwas für die Online-Ausgabe schreiben mag.
Ach ja… und dann gibts noch so eine Geschichte, die ich euch aber erst morgen erzähle.
Tja. Meine berufliche Erfahrung: in geschlechtlich gemischten Meetings verkeilen sich die Männer gerne in Hahnenkämpfe, während die Frauen versuchen, trotz des inhaltlich irrelevanten Geblökes zu arbeiten. Nach geraumer Zeit wundern sich die Frauen, dass einer der Männer zum Teamchef ernannt wurde und ihre sinnvollen Konzepte ignoriert – die haben die wer-ist-der-Boss-Phase des Meetings nicht verstanden…
Mein hauseigener Viertklässler hat mich mal völlig irritiert gefragt, wie Mädchen eigentlich miteinander umgehen: „Also, weißt du, bei den Jungs ist das ganz einfach. Einer ist der Boss und befiehlt und ab und zu prügeln wir uns, weil ein anderer der Boss sein will. Aber bei den Mädchen ist immer nur so ein Durcheinander!“
Schaut euch mal die Jungenzeichnung genau an: sofort ins Auge fallen die im Gegensatz zum Rest liebevoll gezeichneten und gut zu erkennenden Turnschuhe! Psychologisieren könnte man da…
Markenwahn? Penis-Ersatz, weil sie sich nicht trauten? (Ansonsten ist die Figur ja nackt und ein Auto durften sie nicht zeichnen…) Hatten die Jungs eine Begründung?
Dafür haben sich die Mädels unglaubliche Mühe mit dem Gesicht gegeben. Was lernen wir daraus? Den Frauen ins Gesicht und den Herren auf die Füße gucken 😀
Für Spiegel-Online schreiben – würde ich machen.
Allerdings gegen Honorar.
Die SZ hat ja auch einen Lehrerin-Blog:
http://www.sueddeutsche.de/thema/Lehrer-Blog
Danke für den Hinweis 🙂