Ich muss spontan für einen Kollegen einspringen. 9. Klasse, Religion. Ich kenne die Schüler einigermaßen – eine lustige Klasse und wir können gut miteinander.
Auf die Schnell nehme ich die „Hui-Maschine“ mit. Dabei handelt es sich um ein geriffeltes Stäbchen mit Propeller vorne. Reibt man mit einem Bleistift über die Rillen und weiß, wie man seine Finger halten muss, dreht sich der Propeller. Mal nach links. Mal nach rechts. Ist man ein Neuling, passiert nichts, egal wie sehr man rubbelt. Das Ergebnis ist verblüffend.
Gut gelaunt komme ich in die Klasse und berichte, dass ich in meinen jungen Jahren einige Wochen durch den Himalaya gewandert bin. Ausführlich beschreibe ich Landschaft und Leute, wie ich sie Film „Everest“ gesehen habe. Ich erzähle, dass ich einige Zeit bei indischen Mönchen verweilte und dort ein tibetisches Gedankenrad indisches Glaubensstäbchen geschenkt bekommen habe. Wenn man sich konzentriere und an den Namen des HERRN denke, würde es der Propeller drehen. Aber wenn man laut rufe „HERR, schenk uns ein Wunder“ und dabei den linken Fuß wie auf einem Fahrrad kreisen lasse, dann drehe es sich in die andere Richtung.
Ich ernte skeptische Blicke und also demonstriere ich die Kraft des HERRN.
Zwei, drei Schüler kommen nach vorne und probieren es vergeblich. Ich diagnostiziere mangelnden Glauben und frage unter allgemeinem Gelächter nach Konfession und wann sie zuletzt im Gottesdienst gewesen seien. “Aha.. katholisch.. hm.. das erklärt es.” Es wird ein Trick vermutet und weitere probieren sich aus. Irgendwann rufe einen Schüler auf.
Der kennt den Trick. Und ist eingeweiht.
Während er sich vorne scheinbar vergeblich abmüht, stehe ich hinten in der Klasse und rufe laut: „HERR, schenk uns ein Wunder!“ und plötzlich dreht sich der Propeller. Staunen und Gelächter. Mein Assistent vorne tut ganz erschrocken (“Herr Klinge, wie machen Sie das?” – “Ich mache gar nichts. Das ist Gott!”) , als wäre ein Blitz in ihn gefahren. „HERR, zeige uns deine Kraft und lass es andersherum drehen!“ keife ich theatralisch von hinten und – wie durch ein Wunder – wechselt der Propeller die Richtung.
In der Folge suchen andere Schüler vergeblich nach einem Batteriefach oder dem Trick an der Sache. Eine Schülerin meldet sich und meint, ich hätte das olle Ding vor Weihnachten in einem anderen Kurs schon mal präsentiert, damals hätte ich aber damit diagnostizieren wollen, wer ein wahrer Jedi und bei wem die Macht stark sei. „Was kümmert mich mein Geschwätz von damals!?“, winke ich ab.
Es folgt eine spannende Diskussion über Aberglaube und Leichtgläubigkeit. Darüber, wie man Menschen verführt und reinlegt. Eine aufregende Stunde.
Eine anschauliche Anleitung zur Hui-Maschine findet man hinter diesem Video:
Wer sich für die Physik der Hui-Maschine interessiert, findet hier eine ausführliche Beschreibung.
Passend dazu läuft in meiner Gemeinde gerade eine Ausstellung zum Thema „geistlicher Missbrauch“ und „schwierige Gotteserfahrungen“. Als ich meiner Frau diese Anekdote erzählte, rollte sie mit den Augen und meinte, ich solle bei der Ausstellung gut aufpassen.