Bei all den wunderbaren Dingen, mit denen ich mein Leben fülle, fallen auch viele Dinge ab: Ich schaue zum Beispiel kein Fernsehen (und damit meine ich auch das äquivalente Youtube-gucken). Aktuelle Trends ziehen an mir vorbei. Ich kenne weder Bibi noch Tina oder sonstige “Influencer”. Außerdem lese ich nicht mehr. Im Gegensatz zu früher schaffe ich es im Jahr vielleicht auf zwei gelesene Bücher – wenn man großzügig aufrundet. Mir fehlen schlicht Zeit und Interesse.
Eines jedoch habe ich im Sommer gelesen: Die Biographie von Steve Jobs.
Und es hat mir so gut gefallen, dass ich erwäge, es direkt nochmal zu lesen. Das kam jetzt auch noch nicht so oft vor.
Vorneweg: Ich besitze kein iPhone. Ich habe überhaupt gar nichts von Apple – mein letztes ausprobier-iPad ist von Apple so lange mit Updates versorgt worden, bis es völlig unbrauchbar und langsam wurde und ich es wieder verkauft habe. Die künstliche Beschränkung der Geräte ist mir ein Gräuel.
In der Biographie wird man nicht nur ein Stück weit in Jobs Leben hineingenommen, sondern auch in das Wesen von Apple. Warum ist die Firma so, wie sie ist? Jobs fasziniert mich durch seinen inneren Hunger nach Mehr, nach Perfektion, nach Schönheit durch Schlichtheit. Diese Suche zieht sich wie ein roter Faden durch die Biographie und der letzte Satz des Buches rundet diese Geschichte absolut perfekt ab. Ich bleibe fasziniert zurück.
So fasziniert, dass ich den gestrigen Abend damit verbracht habe, mit meiner Frau die Apple Produktpräsentation das Finale von Grey’s Anatomy1 zu gucken und mir anschließend die Apple Keynote anzusehen.
Und obwohl ich weder Apple-Produkte besitze noch mit dem Ansatz der Beschränkung warm werde, muss ich mir anschließend erstmal den Kopf waschen. Die Präsentation der Produkte ist so herausragend gestaltet, dass in mir die Lust entsteht, teilzuhaben. Es wirkt, als seien alle Apple-User kreative, großartige Leute – eine Familie gar – die den ganzen Tag über im Einklang mit ihrem Leben, ihren Sehnsüchten und ihren Gimmicks stehen.
Ich will unbedingt Teil dieser Familie sein.
(Wie gesagt, anschließend musste ich erstmal klaren Kopf kriegen)
Kurzer Schwenk in meinen Alltag.
In den letzten Tagen sind mir verschiedentlich ehemalige Schüler begegnet, die allesamt großartigen Kursen entspringen. Jene SchülerInnen drückten ihre große Sehnsucht nach jenen Stunden aus, verbunden mit der Frage, ob sie nicht hin und wieder in meinem Unterricht einfach nur hinten drin sitzen dürften.
“Ich habe schreckliche Sehnsucht nach Ihren absurden Anekdoten und Witzen.”
Nur um das richtigzustellen: In meinem Unterricht schlafen auch schon mal Schüler ein [klick], andere legen mir einen Berufswechsel [klick] nahe. Es gibt jede Menge Schüler, die mich ätzend finden. Ich bin genauso gut oder schlecht wie alle anderen Lehrer auch. Es geht (ausnahmsweise mal, hehe) nicht um mich.
Woran liegt das? Warum laufen manche Kurse nahezu perfekt und wie kann ich das ausbreiten?
Ein weiteres Buch wurde mir von einem Kollegen vorgeschlagen: “The Epic Classroom” von Trevor Muir. Es geht in die gleiche Richtung: Wie kann der Klassenraum zu einem großartigen, lebensverändernden Raum werden? Wie kann man bei Schülern eine “Lust auf Lernen” erzeugen?
Was mich zurück zur Keynote führt.
Wenn ich an jene Kurse zurückdenke, die mir lange im Gedächtnis bleiben werden, sind das stets jene, in denen ein Gefühl des Familiären, des Besonderen entstanden ist. Es ging nicht mehr um Abschlüsse oder Klassenarbeiten – sondern um eine schiere Freude an der Teilnahme. Eigentlich fehlten nur Kaffee und Gebäck.
Die Suche nach diesem Gefühl, diesem Besonderen rumort schon länger in mir und habe sie erst in den letzten Tagen auch gedanklich formulieren können. Das ist es, was mich aktuell antreibt.
Entsprechend sind die Löcher in meinem Stundenplan gut gefüllt: Ich werde viel bei Kollegen hospitieren gehen und lernen, lernen, lernen. Ganz ohne den Druck eines Staatsexamens oder eines Unterrichtsbesuchs. Statt dessen will ich lernen, wie man so unterrichtet, dass am Ende immer öfter die Sehnsucht nach absurden Anekdoten und gemeinsamem Lernen steht. Mir das Beste von meinen Kollegen abgucken und schauen, wohin mich der Weg führt – aus reiner Lust am Lernen sozusagen.
1: Es ist durchaus amüsant, dass es in der aktuellen, 13. Staffel von Grey’s Anatomy auch um die Frage des klugen Lehrens geht: Der alte, ehrwürdige und menschelnde Lehrer gegen die junge, dynamische und stellenweise unbequeme Newcomerin mit ihren frischen Ideen. Ich gehöre zu Team Webber (oldschool) – meine Frau präferiert (die bescheuerte) Dr. Minnick. Wir haben uns gestritten, so dass ich die Apple Keynote alleine auf der Couch gucken musste.
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