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Tabletschule im Aufbau #2

Stolperfallen & Hürden
Möchte man als Schule den Weg gehen, nicht nur einen Laptopwagen/Tabletkoffer bereitzustellen, um hin und wieder Apps einzusetzen oder ins Internet zu gehen, sondern jeden Schüler mit einem Endgerät auszustatten, dann gibt es viele Hürden zu beachten – ein paar davon möchte ich heute streifen.
Zunächst natürlich die Frage: Wozu eigentlich überhaupt digital arbeiten? Wozu Tabletklassen? Unsere (!) Antwort auf diese Frage möchte ich heute auslassen und mich stattdessen mit den drei Knackpunkten auseinandersetzen, an denen so ein Projekt scheitern kann.

Die Lehrer
Ein durchschnittliches Lehrerkollegium ist weitaus heterogener, als eine durchschnittliche Schulklasse. Dort finden wir Lehrer, die alles scheinbar mühelos können und solche, die noch keine Mailadresse haben. Es gibt Kolleg*Innen, die beim Begriff „Tabletklasse“ an Chancen, Ideen und Spielereien denken und solche, die damit Überforderung, Belastung und Chaos assoziieren. Einige, die Unterricht völlig neu denken wollen und einige, die dem digitalen Wandel sehr skeptisch gegenüberstehen. Beide Gruppen haben völlige Berechtigung auf ihre Betrachtungsweise.
Orientiert man sich nun noch an innovativen Blogs (oh man! Björn Nölte! UNBEDINGT LESEN!!!), dem #Twitterlehrerzimmer oder kluger Literatur, dann ist man – je nach Typ – entweder fasziniert & ermutigt (ich!) oder erschrocken & überfordert (auch ich!).

Lautet das Konzept: „Unterricht mithilfe digitaler Werkzeuge völlig neu gestalten!“ (sozusagen: SAMR-Modell Stufe 4), dann werde ich mindestens drei viertel der Kolleginnen und Kollegen überfordern und frustrieren. Ein absolut sicherer Weg, das Projekt scheitern zu lassen. Ohne das Kollegium kann es nicht klappen.

Die Schüler
Als ich zur Schule ging, haben meine Kumpels und ich während des Unterrichts in Informatik (?)heimlich Duke Nukem 3D im Netzwerk gezockt. Eeeewig! Ich weiß nichtmal mehr, ob das Fach Informatik oder ganz anders hieß, wer der Lehrer war oder um was es überhaupt ging – alles was ich erinnere ist, dass wir gespielt haben. Immer mit zwei Fingern auf ALT+Tabulator um im Notfall wieder auf den Desktop zu wechseln.
Vieles hat sich seitdem geändert. Vieles ist genau gleich geblieben. Schaue ich in meine Klasse, können die Kinder Apps bedienen, Fortnite spielen oder Whatsappgruppen bilden. Aber einen Computer bedienen? Damit arbeiten? Ihn nutzen? Das Handy als „Weltaneignungssassistent“ wie Bob Blume es ausdrückt?
Jedes digitale Konzept einer Schule wird scheitern, wenn es die Schüler nicht da abholt, wo sie stehen. Kooperatives Arbeiten, Filme drehen, Padlets nutzen – dass sind Arbeitsweisen, die gelernt und gleichzeitig mit dem Unterricht verknüpft werden wollen.

Hardware & Infrastruktur
Das Wehklagen über die mangelhafte Infrastruktur an vielen Schulen lässt sich leichter verstehen, wenn man dem ganzen einen zweiten und dritten Gedanken schenkt. Eine durchschnittliche Schule mit WLAN auszustatten bedeutet, dass rund 500 Schüler gleichzeitig mit ihren Handys darauf zugreifen wollen. Besitzen sie auch noch Notebooks, werden das schnell 1000 Geräte. Anders als die heimische Wohnung, sind Schulen große, gewaltige Gebäude mit dicken Mauern, die oft gebaut wurden, bevor man daran dachte, eines Tages an der Decke vielleicht WLAN-Repeater aufzuhängen. Statt einer 100m² großen Wohnung müssen rund 30 Klassenräume mit AccessPoints ausgestattet werden, die sich gegenseitig überlagern. Während die 8b sich an einer Internetrecherche versucht und die 10a an einem gemeinsamen Google-Dokument arbeitet, laufen in der Vertretungsstunde der 6b auf 28 Computer Youtube-Videos und zwingen das ganze System in die Knie. Am Ende funktioniert nichts, und alle sind frustriert.
Ein digitales Konzept muss bedenken, dass das Internet ausfällt. Was geschieht dann? Bricht dann alles zusammen? Kommen wir auch mal zwei Tage ohne Netz aus? Wie beeinflusst das den Unterricht? Was geschieht, wenn Kinder ihr Endgerät vergessen? Oder verlieren?

Fazit
An meiner Schule sind das die Kernpunkte, denen wir sehr, sehr viel Zeit gewidmet haben. Wie können wir möglichst alle Lehrer mitnehmen? Wie können wir alle Schüler abholen? Wie können wir eine Tabletklasse in unserer Infrastruktur realisieren?

Ich glaube, wir haben darauf ganz kluge Antworten gefunden. Aber das erzähle ich „nach der nächsten Maus.“

5 Gedanken zu „Tabletschule im Aufbau #2“

  1. „Während die 8b sich an einer Internetrecherche versucht und die 10a an einem gemeinsamen Google-Dokument arbeitet, laufen in der Vertretungsstunde der 6b auf 28 Computer Youtube-Videos und zwingen das ganze System in die Knie. Am Ende funktioniert nichts, und alle sind frustriert.“

    Ab dem nächsten Schuljahr dürfen die SchülerInnen Berlins gratis mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Die Stadt hat leider vergessen, den SchülerInnen gleichzeitig ein unlimitiertes Internet-Abo mitzugeben.

  2. Alle Kollegen mitnehmen,
    uh, das ist ja ein hehres Ziel, aber wenn man es mal realistisch sieht ist fraglich, ob wirklich alle mitmachen werden wollen.

    Bei uns herrscht da die Meinung, dass man erst einmal mit denen etwas macht, die wollen. Die Tablet-Klasse ist dann ein Sondermodell, wo die Eltern sich dafür entscheiden müssen, ebenso die Kollegen. Und damit sich keiner allein gelassen fühlt, sollen die Fachschaften gemeinsam im Schuljahr, bevor es mit der Klasse 5 losgehen soll, Material erstellen, dass sich am Tablet sinnvoll lässt. Also immer im Jahr vorher Material für die folgende Klasse erstellen. Dazu gibt es Tablet-Sets, wo man das mit einer normalen Klasse sozusagen probieren kann.

    Ich halte die Idee gar nicht so schlecht. Für viele Kollegen ist vor allem wichtig, dass sie nicht gezwungen werden. Und bis neben den ersten zwei parallelen Klassen dann noch weitere kommen, gewöhnen sich die unwilligen dran, oder werden pensioniert. Aber mal schauen!

    Schöne Grüße!

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