Seit vielen Jahren arbeite ich im Mathematikunterricht mit Lerntheken und habe hier auf dem Blog auch schon oft davon berichtet. Wesentliches Element dieser Arbeit ist die „Expertenliste“: ein Zettel, auf dem sich die Schülerinnen und Schüler eintragen, wenn sie für ein bestimmtes Themengebiet soviel Expertise angesammelt haben, dass sie für die anderen Kinder als Tutor agieren können. Der Zettel liegt immer irgendwo rum, manchmal hat ihn jemand mitgenommen – nach vier Wochen ist er ganz schön zerfleddert. Aber er erfüllt seinen Zweck.
Seit zwei Wochen arbeitet meine neue 5. Klasse mit Tablets. Sie nutzen sie, wie oft hier beschrieben, zunächst einmal als Heftersatz. Heute nun stand nach dem Klingeln einer meiner Schüler vor mir. „Herr Klinge, ich habe eine Verbesserung für Ihren Unterricht.“
Kurz habe ich überlegt, ihn mitsamt den anderen raus in die Pause zu schicken – aber ich wollte dann doch hören, was er zu sagen hätte. „Wir haben im Computer ja unser Heft und die Bibliothek und auch diesen ‚Platz der Zusammenarbeit‘, oder?“
Ich nickte.
„Und da können alle Schüler reinschreiben, oder?“
Ich nickte.
„Wäre es nicht gut, die Expertenliste da reinzulegen? Dann muss man sie nicht immer suchen und alle können direkt sehen, ob es einen Experten gibt und sich auch direkt eintragen.“
Einen kurzen Moment war ich sprachlos. Erst aus Überraschung. Dann aus Ärger, dass ich nicht selbst auf die Idee gekommen bin. Dann aus Begeisterung über meinen Schüler. Schon nach wenigen Tagen hat er eine naheliegende Optimierung gefunden, auf die ich – trotz all meiner eigenen Expertise – nicht selbst gekommen bin. Natürlich! Kooperatives Arbeiten in seiner einfachsten Form!
Das Projekt, unsere fünften Klassen mit Tablets auszustatten, um sie medienkompetent zu machen trägt jetzt schon Früchte. Mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit lernen und adaptieren sie, probieren aus und optimieren, was wir Lehrer ihnen vorgeben. Ich kann es gar nicht erwarten, aus diesem ersten Jahrgang eine Medien-AG zu bilden, die zukünftigen Schülern bei Fragen und Problemen helfen. Man! Was ein Augenöffner!
[…] Tabletklassen schlagen, aber das würde die Systematik der Reihe durcheinanderbringen und meine Anekdoten lassen ja schon durchblicken, dass das ganze gut läuft. Inzwischen erhalten wir mehr und mehr […]
[…] Meine 5er beschäftigen sich mit Säulendiagrammen und hier im Beispiel kann man einen häufigen Fehler beobachten: Die Einheiten an der Y-Skala sind nicht gleichverteilt. Natürlich habe ich genau das an der Tafel mehrfach angesprochen. Natürlich steht die Regel explizit im Heft der Kinder. Und trotzdem ist das ein Fehler, der sich oft finden lässt. Ununterbrochen die Hefte der Kinder einsammeln, durchgucken und zurückgeben wäre extrem zeitaufwändig und ist darum auch utopisch. Via OneNote aber kann ich im Büro, auf der Couch, zwischendurch oder wann immer es mir passt hier und da einen Blick in die Hefte der Schüler werfen und Anmerkungen einfügen. „Schau mal hier!“ „Achte darauf!“ Das geht rasend schnell und ohne Aufwand. Im Corporate Space, einem weiteren Bereich des Notizbuches, indem alle Schüler gleichzeitig schreiben können, lassen sich wunderbar kooperative Gruppenarbeiten realisieren. Einer meiner Schüler hat mir – nach nur drei Wochen Unterrichtszeit – schon vorgeschlagen, die Expertenliste meiner Lerntheke dort zu führen. […]