Während wir uns in Deutschland noch vom Karneval erholen und sich (fast) ganz Liechtenstein eine Woche Schulferien gönnt, haben vier Kollegen einer Schule aus Vaduz die freien Tage genutzt, um dienstlich ins beschauliche Siegen zu reisen und unsere Schule zu besichtigen. Kennengelernt haben wir uns sowohl durch das #Twitterlehrerzimmer (das aktuell neben totaler Überforderung auch eine tolle Möglichkeit ist, mit Kolleginnen und Kollegen überregional in Kontakt zu kommen), als auch durch die Microsoft Educator Community. Das war mal eine Art „Facebook für Lehrer“ und bot die Möglichkeit, weltweit mit Schulen und Leuten in Kontakt zu treten, bspw. für „skype in the classroom„. Heute sucht die Webseite gerade nach ihrer Identität (ist zumindest mein Eindruck).
Zweck des dreitägigen Besuches war ein intensiver Austausch über schulische Projekte. Als „digitale Schule“ hatten wir die Gelegenheit, durch unsere Tabletklassen zu führen und uns über die Zusammenarbeit mit den Eltern und Kollegiumsfortbildungen zu unterhalten. Ein wenig Expertise haben wir uns in den vergangenen Monaten angearbeitet und es ist und bleibt nach wie vor eine große Freude, dies mit anderen zu teilen.
Interessant war dabei nicht nur die Unterrichtspraxis in den voll ausgestatteten 5. Klassen, sondern auch die Transformation in unserem 8. Jahrgang. Wie funktioniert Unterricht, wenn schon 5 Kinder mit Tablet in die Schule kommen, aber 23 noch auf Papier schreiben? Wie zieht man das gesamte Kollegium mit?
Den Donnerstag beschlossen wir mit einem gemeinsamen Abendessen bis tief in die Nacht. Ist das noch Arbeit oder schon Vergnügen? Im besten (diesem!) Falle beides.
Freitagvormittag haben wir dann aufmerksam den Projekten aus Liechtenstein zugehört. Ganz spannend ihre berufsorientierte Projektarbeit in den Jahrgangsstufen 8 und 9 in Verbindung mit einer intensiven Kooperation mit ortsansässigen Firmen. Einer der mitgereisten Kollegen hat im Laufe von vier Wochen sämtliche Ausbildungsbereiche einer Firma im Eiltempo durchlaufen – einfach um mehr Ahnung zu haben.
Die Liechtensteiner sind uns da um Jahre voraus und dieser Blick in eine mögliche Zukunft war gleichermaßen spannend, wie auch einschüchternd. Wow! Wie sollen wir das jemals schaffen?
Abgehende Schüler haben bei ihnen oft lange vor Schulabschluss schon den Ausbildungsvertrag unterschrieben. Wann immer ich mit Schulen aus dem Ausland zu tun habe, wird die Zusammenarbeit mit Unternehmen deutlich entspannter betrachtet, als in Deutschland.
Das ist ein ganz spannendes, grundsätzliches Bildungsthema.
Aus der Perspektive des Humanismus ist die Bildung das oberste Ziel. Kinder gehen zur Schule, um etwas über die Naturgesetze und kulturelle Schätze der Welt zu lernen und dadurch zu einem mündigen Menschen zu werden.
Andererseits beklagen viele Firmen, dass ihre Auszubildenden wenig selbstständig sind. Schaut man in den Bereich der Hauptschulen, könnten viele Schülerinnen und Schüler von einer engen Anbindung an Unternehmen profitieren: Man lernt früh einen Arbeitsplatz und neue Gesichter kennen, lernt Kontakte zu knüpfen und gewinnt frühzeitig eine Vorstellung davon, welchen Beruf man später ergreifen möchte. Aber, klar, Schule bedeutet dann weniger Bildung und mehr Ausbildung. Das schmeckt nicht jedem und aus Perspektive eines Bildungsbürgers ist das kaum zu akzeptieren. Für so manches schulmüde Kind wäre eine solche Bindung dagegen genau die Hilfestellung, um nach der Schule nahtlos in den Beruf überzugehen.
Ich habe darauf keine Antwort.
Stattdessen bewundere ich die mit Preisen ausgezeichnete Projektarbeit. Vieles an Ideen hat uns eingeschüchtert, bleibt aber hängen und wird uns inspirieren und herausfordern. Durch den Einsatz digitaler Medien eröffnen sich uns insbesondere Möglichkeiten der Kooperation zwischen unseren Schülern. Da sind erste Ideen skizziert und werden in den kommenden Monaten sicher ausgearbeitet. Ein Gegenbesuch ist geplant.
Ich freu mich drauf!