Immer wieder erwische ich mich bei der Überlegung, ein iPad zu kaufen. Diese absurde Lust auf ein großartiges Gerät lässt sich reflektieren, verstehen und für den schulischen Alltag nutzen.
Mein Arbeitsprozess ist optimiert
Sowohl meine Unterrichtsvorbereitung als auch das Führen dieses Blogs läuft über mein Surface Pro. Im Laufe der Zeit habe ich mir erst einen, dann zwei externe Monitore gekauft, um gleichzeitig recherchieren, arbeiten und chatten zu können, ohne ständig die Fenster zu wechseln. Ich habe mir sogar das Surface Dock gekauft, damit ich die Bildschirme und weitere Peripherie nicht ständig an- und abstöpseln muss. Von der Schultasche auf den Schreibtisch und zurück in wenigen Sekunden.
Neben der Freude an technischem Fortschritt hatten alle diese Anschaffungen auch den Sinn, meinen Arbeitsprozess effektiver zu gestalten. Wenn ich mit einer guten Maus und einer besseren Tastatur meine Arbeit schneller und mit weniger Frust erledige, sind sie ihr Geld wert.
Überprüfe ich diesen Prozess auf Optimierungen, dann komme ich immer wieder zu dem Ergebnis, dass ich am Optimum angelangt bin: Ein noch größerer Bildschirm würde die Recherche nicht übersichtlicher machen, ein schnellerer Prozessor im Computer hätte keinen Einfluss auf meine Unterrichtsideen. Es ist perfekt.
Und trotzdem erwische ich mich immer wieder bei dem Gedanken, mir ein iPad zu kaufen. Und zwar nicht die günstige Einsteigervariante, sondern das teure iPad Pro-Modell.
Aber warum eigentlich?
Menschen folgen ihren Gefühlen
Wenn ich darüber nachdenke, was ich zuletzt etwas (emotional) Wertvolles gekauft habe, dann verbinde ich damit meist eine Emotion. Der Kauf eines Autos beispielsweise („Freude am Fahren“) ist oft an Gefühle gekoppelt. Im Grunde gibt es nur wenig sachliche Gründe, einen Porsche anstelle eines Dacias zu kaufen – aber viele emotionale. Ich erwische mich dabei, wie ich YouTube-Videos von Technik-Nerds schaue, die sich mit dem iPad beschäftigen. Oft beschreiben sie die Haptik, wie „es sich anfühlt“ davorzusitzen. Menschen folgen ihren Gefühlen.
Jeder Artikel mit dem Wort „iPad“ im Titel hat signifikant mehr Leser. Der YouTuber John Rettinger erklärte in einem seiner Videos einmal sinngemäß: „Android User schauen sich Videos über das iPhone an. Aber Apple User schauen sich keine Videos über das Samsung Galaxy an.“ Will man Klicks generieren, muss man über Apple schreiben. Immer und immer wieder.
Man kauft sich heraus
Neben meinem Computer habe ich auch ein Tablet: Ein Samsung Tab S3. Es ist nicht (mehr) besonders schnell aber man kann mit einem Stift darauf schreiben und zum surfen, lesen und Filme schauen reicht es locker aus.
Immer wieder versuche ich es, in meinen Arbeitsprozess zu integrieren – aber tatsächlich gibt es keine Anwendungslücke, in die ein Tablet hineinpassen würde. Es gibt keinen Aspekt, der mit einem Tablet schneller, effektiver oder besser ablaufen würde, als mit meiner Kombination aus Smartphone und Surface. Und das, obwohl ich händeringend nach einem Problem suche.
Denn: Man kauft sich nicht in etwas hinein, sondern aus etwas heraus. Ich habe das Problem X und glaube, es mit dem Produkt Y lösen zu können. Bei einer Neuanschaffung geht es stets um die Frage: „Was kann das neue Produkt besser, als das alte? Welches Problem habe ich, dass ich mit dem neuen Produkt Y nicht mehr habe?“ Das treibt an.
Mein Problem ist: Ich habe kein Problem X.
Menschen kaufen keine Produkte – sondern Geschichten
Neben Gamification und Sketchnoting ist auch Storytelling einer jener Modetrends, die durchs Dorf getrieben werden. Aber man macht es sich zu einfach, wenn man diesen Aspekt verwirft:
Warum verkauft sich ein John F. Kennedy MontBlanc Füller für 779 €, obwohl er nichts anderes kann, als dieser Werbe-Kuli für 59 Cent? Es ist die Geschichte. Es ist der Gedanke, dass dieser große amerikanische Präsident mit genau diesem Füller schrieb.
Mit einem iPad verbinde ich Geschichten. Steve Jobs auf der Bühne. Zahllose erfolgreiche (und oft sehr schöne) Menschen mit den Geräten in der Hand beim arbeiten, lachen, leben. Menschen kaufen keine Produkte – sie kaufen Geschichten.
Der schulische Kontext
Im schulischen Kontext finde ich mich oft in Beratungsgesprächen wieder, die ich mit Schülern oder Eltern führe. Dabei handelt es sich manchmal um Laufbahnberatungen (Sollte Schüler X lieber nach der 10 ins Berufsleben wechseln oder die Oberstufe angehen?) oder auch Erziehungsberatung (Verweise auf Hilfe bei Jugendamt oder Sozialarbeitern.)
Natürlich geht es nicht darum, jemandem gegen seinen Willen etwas aufzuquatschen und der Grad zwischen Manipulation und intelligenter Gesprächsführung ist schmal und liegt manchmal auch im Auge des Betrachters.
Aber es lässt sich nicht leugnen, dass ich mein Gegenüber in einigen Gesprächen von meiner Idee überzeugen möchte. In jedem Gespräch – aber noch mehr, wenn ich vor der Klasse stehe – gibt es Wege und Verhaltensweisen, meinen Inhalt zielführend vorzubringen. Dazu gehören Körpersprache, Stimmlage und Mimik und so weiter – aber auch ein Verständnis dafür, was bei uns selbst „zieht„. Es geht also darum, in einem Gespräch souverän und überzeugend zu wirken. Im Idealfall kann ich diese Überzeugung wie ein Schauspieler gut vortäuschen. „Mensch, diese quadratischen Funktionen sind der Hammer! Ich sag euch!“
Drei Leitlinien entdecke ich bei mir selbst:
- Ich folge bei Entscheidungen eher meinen Gefühlen.
- Ich kaufe mich selten in Dinge hinein, eher aus Dingen heraus.
- Ich kaufe keine Produkte, sondern Geschichten.
Weil ich das verstehe, habe ich mir (bisher) kein iPad gekauft. Ich fahre (aktuell) einen verbeulten Dacia. Und meine Kugelschreiber kosten (noch) 59 Cent.
Und weil ich das verstehe, versuche ich bei meinen Schülern Gefühle zu wecken, wenn wir Bruno vom Dach der Schule werfen, führe ich meine Schüler aus dem Problem „ich vergesse die binomischen Formeln“ heraus, indem wir sie gemeinsam singen und erzähle ich Geschichten von Drachen und Monstern, um meine Schüler zu begeistern.
In einem anderen Leben wäre aus mir vielleicht auch ein guter Autoverkäufer geworden. Oder ein Vertreter für MontBlanc Füller. Oder für iPads.
Danke für diesen Artikel! Ein Großteil der Ausführungen trifft auch auf mich zu, wobei ich sie gedanklich nicht so präzise hätte analysieren können. Endlich ist dieses „Habenwill“-Gefühl weg und ich schaffe es wieder einige Zeit, nicht in den Apfelstrudel zu geraten! Habe gehört, dass es oft nicht bei einem einzigen Applegerät bleibt…
Standhaft bleiben. 🙂
Zumindest einige „Komfort“ – Punkte kann ich für mich benennen, der mich von meinem (defekten) Surface Pro 4 zum neuen Ipad Pro haben greifen lassen: Die Akkulaufzeit, die mich den ganzen Tag nicht auf den Ladestand gucken lässt, was beim Surface so nie geklappt hat. Die „sofort-da-wenn-auf-Power-gedrückt“ Funktionalität des Ipads, wohingegen es gefühlt ewig dauert, wenn das das Surface gerade den Bildschirmschoner gesstartet hat.
Unabhängig davon – ich habe deinen Blog erst vor kurzem entdeckt, finde für mich aber viele tolle und spannende Anregungen für den Unterricht. Vielen Dank dafür.
Vielen Dank für deinen Artikel!
Ich kenne dieses Verlangen auch nur allzu gut: Problem X mit Lösung Y aus der Welt schaffen wollen, obwohl Problem X gar nicht wirklich existiert.
Ich nutze am Desktop ebenfalls Windows und auf dem Smartphone Android. Dennoch verspüre ich gerade bei Veröffentlichungen neuer Apple-Produkte immer wieder das Bedürfnis, evtl. doch umsatteln zu wollen, obwohl alles tadellos funktioniert.
Die Marketing-Abteilung aus Cupertino macht ihren Job einfach erstklassig!
Deine gedankliche Übertragung auf den schulischen Kontext finde ich besonders als Handelslehrer (Wirtschaft+Deutsch) interessant. Laut Wikipedia beschreibt der Begriff ‚Marketing‘ u.a. „ein Konzept der ganzheitlichen, marktorientierten Unternehmensführung zur Befriedigung der Bedürfnisse und Erwartungen von Kunden und anderen Interessengruppen (Stakeholder)“. Abseits ideologischer Diskussionen, die häufig sofort aufflammen, wenn die beiden Worte ‚Wirtschaft‘ und ‚Schule‘ in einem Absatz genannt werden, finde ich deine Anmerkung, dass du bei deinen Schülern auch Gefühle wecken möchtest, sehr gut. Die Gefühle und Bedürfnisse der Schüler:innen bleiben leider viel zu oft unberücksichtigt, weil der Fokus zu sehr auf Inhalte bzw. Fachkompetenz ausgerichtet ist.
btw:
Bevor ich Lehrer geworden bin, habe ich eine Ausbildung zum Automobilkaufmann gemacht. Dabei habe ich besonders die Erfahrung für mich gesammelt, dass bei provisionsabhängigen Dienstleistungsberufen die Gefühle und Bedürfnisse der Kund:innen leider nur selten an erster Stelle stehen (können). Von daher rate ich dir vom Job des Autoverkäufers ab und plädiere stattdessen dafür, dass der Schuster (du) lieber bei seinen Leisten bleiben sollte. 😉
Keine Sorge, ich bleibe Lehrer.
Aber ein erfolgreicher Verkäufer (von z.B. Versicherungen) erzählt wenig von Zahlen und mehr von Geschichten („Dieser Kunde wünschte sich, er hätte eine Versicherung gegen Nagetier-Raubüberfälle abgeschlossen) oder Gefühlen („Sie können besser schlafen, wenn Sie keine Angst vor…“). Da sind wir dann vielleicht schon bei Manipulation. Aber die Werkzeuge sind die gleichen.
Ich stimme dir da voll zu!
Bei den Schlagworten ‚Erfolg‘, ‚Versicherungen‘ und ‚Manipulation‘ muss ich unweigerlich an Maschmeyer zu AWD-Zeiten denken. Die noch verfügbaren YouTube-Videos sind so absurd. Außerdem mahnen sie indirekt zur Vorsicht, mit den Werkzeugen verantwortungsvoll umzugehen.
In diesem Sinne: Danke für deinen Blog und alles und ein schönes Wochenende! 🙂
Ich habe beruflich viel mit Apple zu tun und ich kann sagen: es ist nur Apple.
Privat nutze ich kein einziges Gerät von Apple, weil es einfach zu viele Fehler und Ungereimtheiten gibt:
Nur mal ein paar wenige Dinge aufgezählt erwähnt: man kann nicht mal alle Apps schließen bei iOS, nur jede einzeln. Kein App Drawer, alle Apps hintereinander genagelt. Mit jedem Update befindet sich die Schnelleinstellungen in einer anderen Ecke. Mesh mag Apple nur von einigen wenigen Anbietern. Stift laden am Gehäuse ist mechanisch anfällig, die Kappe ist sofort weg. Jedes Mal Radiergummi wählen, anstatt einfach wie beim Surface Stift die Seite mit dem Radiergummi zu nehmen. Bei iPhone mit Button: es ist wenig intuitiv einen Button. Mehrfach zu belegen. Die Liste ist ewig lang. Nur Fans haben Freude daran, weil es ja nicht schlecht sein kann. Objektiv sieht die Sache anders aus.
Ebenso MacOS… So viele kaputte Ecken. Einige Programme lassen sich über das rote x schließen, andere nicht. Verschiedene Suchen (Finder und Spotlight), das Tastaturlayout ist die Hölle und die Haptik und Ergonomie der Tastatur deutlich schlechter als bei Thinkpad (X-Serie). Touchpads sind nicht ergonomisch, da ist und bleibt der Trackpoint weit überlegen. Mit das nervigste ist der eingeschränkte Öffnungswinkel des Displays. Abends auf der Couch halb liegend ist ein MacBook nicht mehr zu gebrauchen.
Ich hab es immer wieder versucht mit Apple, aber es macht auf Dauer keine Freude.
Ich richte pflichtschuldig ein „Danke“ meiner Frau aus. Spontankauf verhindert. 😉
Ich bin nach 10 Jahren Thinkpad genau in die andere Richtung wie Marc gelaufen, und inzwischen fast reiner Apple-Nutzer. Wie bei den Butterfly-Tastaturen gibt es bei Apple das Risiko, dass man einem einzigen Hersteller ausgeliefert ist, und man bei einer ungewünschten Designrichtung keine Alternative hat. Dafür ist die Hardware aber von ausreichender Qualität, um notfalls auch mal 7 Jahre gebraucht zu werden.
Wenn es ein iPad sein soll, empfehle ich das 13″ Modell mit mindestens 512GB, sowie Stift. Die zweite Generation hat keine Kappe mehr, und ist dadurch stabiler. Handschriftliche Notizen funktionieren ausgezeichnet, anstelle den Stift umzudrehen, kann ich einfach mit einem Finger radieren. Verglichen mit Android ist die Oberfläche viel flüssiger, und wirklich interessante Tablet-Software ist am besten auf dem iPad verfügbar. Fürs Lesen, Dokumente kommentieren, Ideen skizzieren und Grafiken erstellen ist das iPad meine erste Wahl. Und ja, diese Konfiguration ist nicht gerade billig, sollte dafür aber auch gut 8 Jahre Freude bereiten. Falls gebraucht, die erste Generation hat noch nicht den 120Hz Schirm, und würde ich vermeiden. Auch sind weniger als 256GB auf Dauer zu wenig.
Rein funktional ist das iPad etwas eingeschränkter, dafür entfällt jedoch viel administrativer Kleinkram: So ist es unnötig, Apps manuell zu schließen weil sie einfach nicht im Hintergrund den Akku auffressen können.
Übrigens sind die Trackpads der MacBooks allesamt ausgezeichnet, und obwohl ich am Anfang sehr skeptisch war, vermisse den Trackpoint nicht. Dafür wechsele ich nicht häufig genug zwischen Tastatur und Maus, und die Multitouch-Gesten würden mir doch sehr fehlen.
Wir haben jetzt auch von der Stadt einen Satz iPads gestellt bekommen. Dieses Wow-Erlebnis fehlt mir aktuell aber noch. Es gibt eine Sache, die mich haptisch und auch akustisch echt ein bisschen abstößt. Nämlich dieser Apple Pen. Ich bin von den Samsung Geräten diese kleine süße Gummi-Spitze gewöhnt, mit denen sich leise uns schön schreiben lässt. Bei dem Apple Pen habe ich das Gefühl einen kleinen Knochen in der Hand zu halten. Und das Klacken, wenn man mit der festen Spitze über das Tablet fährt… Uah.. Nicht ganz so schlimm wie die Fingernägel an der Tafel, aber sexy ist dieses Geklacker jedenfalls nicht 😉
Den Samsung-Pen mag ich auch sehr.
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