Seit Dezember wird meine Klasse vom heimischen Küchentisch unterrichtet. Bei der Gestaltung von Klassenarbeiten lässt mir das Land aber Gestaltungsspielraum. Darum schließen wir die aktuelle Einheit mit einem Projekt ab: Erstelle ein eigenes Buch.
Das Setting: Distanzunterricht
Seit Dezember habe ich meine Schüler:innen nicht mehr vis-à-vis gesehen. Als Tabletschule agiere ich im Distanzunterricht auf hohem Niveau: Jedes Kind arbeitet mit einem Surface Go von zu Hause aus und alle verfügen über eine – wenigstens rudimentäre – Internetleitung. Die Arbeit mit den Lerntheken ermöglicht in Mathematik ein differenziertes Arbeiten, bei dem ich als Lehrperson in den Hintergrund trete und nur hier und da helfe oder erkläre.
Insgesamt mute ich meinen Schüler:innen sehr viel Eigenverantwortung und Vertrauen zu: Nach einem kurzen Input schicke ich sie in Einzel- oder Gruppenarbeiten aus dem Call und bleibe als einziger für Rückfragen zurück. Klar, hier und da wird sich dann auch mal wieder ins Bett gelegt und gar nichts getan. Aber ich bilde mir ein, dass anhand der Arbeitsergebnisse früher oder später zu bemerken. Und das Kinder, die im Präsenzunterricht nichts getan haben, auch im Fernunterricht wenig tun, ist jetzt keine Überraschung.
Das Thema: Rechnen mit Dezimalbrüchen
Die letzten Wochen haben wir uns mit den Dezimalbrüchen geplagt. Insbesondere die Punktrechnung geht mit Einführung des Taschenrechners völlig verloren – oder weiß du noch spontan, wie man „1,04 geteilt durch 0,2“ rechnet?
So sehr ich das Forschen, Entdecken und Diskutieren mag – einige Grundfertigkeiten erlernt man nur durch stumpfes Üben. Auch wenn die meisten die Rechenregeln in den nächsten Jahren vergessen werden – spätestens bei Einstellungsgesprächen wird darauf wieder zurückgegriffen: Ein Azubi, der nicht mal eben auf einer Tischplatte „2,5 mal 3,8“ rechnen kann, wird es schwer haben, als Zimmermann eine Stelle zu finden.
Die Klassenarbeit: Erstelle ein eigenes Buch.
Die Gestaltung einer Klassenarbeit dagegen ermöglicht viel Spielraum. Im Distanzunterricht ließe sich eine solche nur dann durchführen, wenn ich die Kinder mittels Kameras und Mikrofonen während der Zeit überwache (hier ein gruseliges Video wie aus einer dystopischen Zukunft: „Folge den Anweisungen zum Raumscan!“). Jesus! Das möchte ich nicht.
Eine großartige Kollegin hat dagegen eine Alternative entwickelt, auf die ich sofort aufgesprungen bin: Anstelle der üblichen Aufgaben sollen die Kinder die Renovierung ihres Zimmers planen. Dabei müssen Materialien (Pinsel, Malerfolie, …) gesammelt und die Preise im Internet recherchiert werden. Das eigene Zimmer muss vermessen und die Ergebnisse notiert werden, dazu die Gesamtkosten berechnet und die Menge an Farbe ermittelt werden.
Alle Teilaspekte des Projekts werden in einem Buch zusammengefasst, dass sich kostenlos mit BookCreator erstellen lässt. Als Lehrer kann ich dort kostenlos eine Bibliothek anlegen und für einen Kurs freigeben, den ich mit Namen/Pseudonymen erstelle. Jedes Kind erhält dann einen eigenen Link, mit dem es – ohne Anmeldung – ein Buch mit einfachen Mitteln erstellen kann.
Diese Klassenarbeit verlangt die erlernten Fähigkeiten ab (Rechnen mit Dezimalbrüchen) und erweitert diese um Kompetenzen zum Umgang mit (digitalen) Medien. Darüber hinaus ist sie mit der Lebenswelt der Kinder verbunden. Als Übung habe ich letzte Woche eine Klassenparty-Vorbereitung auf ähnliche Art durchführen lassen – dadurch haben die Kinder Sicherheit im Umgang mit der App gewonnen.
Die erste Stunde ist rum, viele bunte Cover sind schon erstellt worden. Etwa eine Woche haben die Schüler:innen für dieses Projekt Zeit. Genau wie im Unterricht verbleibe ich während der Arbeitszeit für Rückfragen im Videocall.
Tolle Idee!
Meine Erfahrungen zeigen hier aber leider, dass Kinder, die zuhause auf sich allein gestellt sind, mit dieser Form von Überprüfungen massiv benachteiligt werden, weil sie keine Eltern haben, die da „noch mal schnell drüber schauen“ können (wollen?). Sehr schade… Ich bin wirklich auf der Suche nach Ideen, wie man sowas „so gerecht wie möglich“ gestalten könnte, auch wenn ich hier vermutlich nie etwas finden werden…
Immer wieder schön von Dir zu lesen und Anregungen zu bekommen 🙂
Das ermutigt mich, danke!
Hallo,
wir haben gerade beschlossen, dies so ähnlich bei uns in der 6 nächste Woche durchzuführen.
Darf ich wissen, welche Kompetenzen / Aspekte euer Rückmeldebogen enthält bzw. nach welchen Kriterien ihr diese Arbeit bewertet?
Na klar, wenn du mir eine Mail schreibst, schicke ich ihn dir zu.
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