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Sisyphus in Schule und Keller

FliesenMit viel Geduld und manch gefluchtem Wort fliesen wir gerade den Keller. Eine elende Schinderei und sie steht in vielen Dingen auf Kriegsfuß mit meinen Prinzipien.
Ein Haus, habe ich schmerzlich erfahren müssen, gleicht einem sprichwörtlichen Fass ohne Boden an unsichtbaren Investitionen und Kosten. Das mein Schwiegervater im örtlichen Baumarkt freundlich gegrüßt und mit jedem Mitarbeiter per Du ist, sagt mehr aus, als ich es in zig Blogartikeln vermag. Aber es ist eine Sache, einen alten Swimming Pool zu restaurieren oder ein Hühnerhaus zu bauen – aber eine völlig andere, den Keller zu fliesen. Nicht handwerklich, sondern emotional: Den Pool genieße ich im Sommer sehr – dem Keller bringe ich nur ein Mindestmaß an Liebe entgegen. Am Hühnerhaus erfreue ich mich immer noch. Die Aufstockung der Garage dagegen war ein notwendiges Muss. Pareto: 20% Aufwand für 80% Ertrag. Das akzeptiert der Keller nicht. Sehr anstrengend. Sehr wichtig.

In letzter Zeit muss ich häufiger an Sisyphus denken und seine endlose Arbeit.

Der Elternsprechtag war für mich stets ein Arbeitstag, den ich bei aller Anstrengung sehr genossen habe: Der Austausch mit den Eltern, die zwar alle unterschiedlich aber doch irgendwie gleich sind. Besorgt, erfreut, verärgert, aber alle mit dem Besten für ihre Kinder im Sinn. Zu mahnen, ermuntern und loben, die Kinder wertzuschätzen und das gemeinsame Ziel in den Fokus zu rücken. Das sind Aspekte, die ich sehr mag.

Angesichts der pandemischen Lage haben wir uns als Schule entschlossen, den Elternsprechtag erneut online durchzuführen. Die Eltern konnten sich über ein Formular auf der Homepage Termine buchen und ich und meine wunderbare Co-Klassenlehrerin haben heute den ganzen Tag mit den Eltern videokonferiert. Sehr anstrengend. Sehr wichtig.

Surface ComputerDie technische Umsetzung läuft so einfach, dass sie im Jahr 2021 kaum einer Erwähnung wert ist: Alle Schüler*innen arbeiten mit ihren eigenen Tablets, wir nutzen Microsoft Teams als Kommunikationstool und alles läuft absolut reibungslos. Zu Hause zu sitzen, anstatt in der Schule hat auch an anderer Stelle Vorteile: Ich nutze eine Pause um zwei Fenster zu putzen, kann Mittags die Kleine ins Bett bringen und bin auch sonst nicht an ein kleines Büro gefesselt. Für die Eltern gilt oft: An- und Rückfahrt zur Schule sind länger als der Gesprächstermin selbst. Es ist ökologisch und ökonomisch deutlich sinnvoller, die Tage immer nur noch digital stattfinden zu lassen. 27 von 28 Eltern haben wir heute sprechen können – diese Quote wäre in Präsenz (ob mit oder ohne Corona) niemals zu erreichen gewesen.

Wie beim Handwerk zuhause erkenne ich die Notwendigkeit der Tätigkeit, aber mir fehlt echte Begeisterung: Die Fliesen im Keller versprechen mir weder Poolparties noch Hühnereier. Und nach zehn Stunden Starrens auf einen Bildschirm (erstes Schülergespräch morgens kurz nach 8; letztes Elterngespräch um 18 Uhr) fehlen mir ein freundlicher Händedruck, ein menschliches Gesicht, Mimik, Gestik, Körpersprache. Aufstehen, Begrüßen, Verabschieden, andere Menschen sehen.

Bei all der scheinbaren Sisyphusarbeit („4. Welle? Wir haben die pandemische Lage doch für beendet erklärt?!“) fällt es mir zunehmend schwer, nicht schwermütig zu werden.

  • Toll: Alle meine Schüler*innen tragen ihre Masken weiter.
  • Toll: Alle Gespräche heute waren zielführend und positiv.
  • Toll: Einige Kinder sind vor Stolz heute geplatzt bei so viel Lob.
  • Toll: Der verdammte Keller ist fast fertig, der Stein fast am Gipfel.

Jetzt nur keine unbedachte Bewegung.

 

Ein Gedanke zu „Sisyphus in Schule und Keller“

  1. Beim Keller würde ich mir ja den Luxus gönnen, einen Fliesenleger zu beauftragen. Kostet zwar ein bisschen was, aber die gewonnene Zeit ist eben auch wertvoll (ich bekäme das aber auch nicht annähernd so gut hin wie du; auf dem Bild sieht das ja wirklich gelungen aus).

    Beim Elternsprechtag muss man natürlich selbst ran… 😀

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