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Der rosafarbene Taschenrechner.

Ich möchte mit dem Unterricht beginnen, aber irgendwas hält mich ab. Ein merkwürdiger Ausdruck liegt auf den Gesichtern meiner Schüler. Nachdenklich. Ein bisschen vorwurfsvoll. „Herr Klinge, wir müssen mit Ihnen reden“, meldet sich die Schülerin Nadine und ihr Ton ist der meiner besorgten Studienberaterin, die mir einst geduldig erklärte, dass ich an der Universität falsch sei. „Die letzte Stunde Herr Klinge…“ Sie schweigt und schaut mich nachdenklich an. Alle schweigen und schauen mich nachdenklich an.

Die letzte Stunde…? Die letzte Stunde!

Ich habe mich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Weil mein Taschenrechner verschwunden war, habe ich aufs Geratewohl einzelne Schüler verdächtigt, hier und da Rucksäcke durchsucht und den Jonathan auch etwas zu dolle angebrüllt. Nichts brachte Erfolg, so dass ich schließlich traurig und erschöpft vor der Klasse stand und die Stunde irgendwie teilnahmslos an mir vorüber strich. Keine Glanzstunde.

Mittlerweile habe ich mir einen neuen, rosafarbenen Taschenrechner gekauft.

„Hm..“, stottere ich und will mich entschuldigen, komme jedoch gar nicht dazu. „Herr Klinge, Sie haben so traurig ausgesehen ohne ihren Taschenrechner – da haben wir als Kurs zusammengelegt und Ihnen einen neuen gekauft. Einen rosafarbenen.“

Oh nein!

In Gedanken flehe ich sie an, aufzuhören, doch Nadine redet einfach weiter. „Wir hatten ihn gerade bestellt, da haben wir erfahren, dass Sie sich schon selbst einen neuen gekauft haben. Und jetzt… (läuft da eine Träne über ihre Wange??) sind wir als Kurs ein bisschen traurig (spinnen die alle? Wieso schniefen die so???) und auch enttäuscht von Ihnen.“

IMG_20170324_180429_921Feierlich wird mir ein zweiter, zauberhafter, rosafarbener Taschenrechner überreicht. Ich habe ein elend schlechtes Gewissen und erfahre, dass die Schüler sogar eine Kollegin bestochen haben, heimlich meine Tasche zu durchwühlen um zu prüfen, ob ich wirklich und wahrhaftig bereits einen eigenen Rechner habe, oder auf dem Blog nur Quatsch geschrieben habe.

Mit etwas Abstand fühle ich mich nicht nur schlecht, sondern bin zutiefst gerührt. Guter Unterricht ist meist auch mit einer positiven Lehrer-Schüler-Beziehung gekoppelt. Ich weiß nicht, ob man diese Beziehung „machen“ kann, mir gelingt das in den Hauptfächern besser, als in Nebenfächern. Je mehr Stunden ich mit einem Kurs habe, desto besser.

Das meine Schüler Geld zusammenlegen, um mir einen neuen Taschenrechner zu schenken, ist zumindest ein starkes Indiz dafür, dass sie unser Miteinander sehr wertschätzen. Und bei aller Liebe zum fachlichen: Zu sehen, dass da vernünftige, liebe Menschen heranwachsen erfüllt mich mit großem Stolz.

8 Gedanken zu „Der rosafarbene Taschenrechner.“

  1. Ein berührendes Erlebnis. Das war wirklich sehr nett von Schülern, besonders, wenn man bedenkt, dass sie verdächtigt wurden, ihn entwendet zu haben. Unglücklich gelaufen, dass beide Parteien einen neuen gekauft haben, aber auch sehr lustig, dass es exakt der gleiche ist.

  2. Klasse Aktion. Vielleicht können alle SchülerInnen auf der Rückseite unterschreiben, dann ist er noch persönlicher und unterscheidet sich von dem anderen.

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