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Ein zweiter (kritischer) Blick auf das Skype-Event

IMG-20161208-WA0007 (Medium)Gestern habe ich ein ganz aufregendes Skype-Projekt mit einer Schule aus Ecuador realisiert. Von einem Klassenraum in den nächsten haben die Schüler gegenseitig Fragen gestellt und beantwortet, etwas über Weihnachten im Land berichtet und ein traditionelles Lied gesungen.

Ausgehend von einer spannenden Argumentation unter dem Artikel “Political Correctness” im Lehrerberuf habe ich das Event einem zweiten, kritischeren Blick unterzogen und komme zu irritierenden Erkenntnissen.

Zunächst:
Die Schüler in Ecuador hatten offensichtlich viel weniger Berührungsängste mit moderner Technologie, als meine großen Kinder. Als es darum ging, Fragen zu stellen, gingen in Ecuador alle Hände hoch – bei uns herrschte erstmal schüchternes Schweigen.
Obwohl ich mich durchaus als technikaffin bezeichnen würde und meine Schüler immer und immer wieder mit modernen Medien konfrontiere, war hier ein krasser Unterschied zu spüren. Technologie als Werkzeug war offensichtlich vielen immer noch fremd. Das gibt mir zu denken.

Zweitens – und weitaus ärgerlicher:
In meiner Klasse haben ausschließlich Jungen gewagt, vor der Kamera auf englisch Fragen zu stellen oder Antworten zu geben. Kein einziges Mädchen traute sich – und das finde ich sehr irritierend.´
Eine Erklärung für die Zurückhaltung mögen fehlende Englischkenntnisse sein, obwohl die neunte Klasse sicher ausreicht, um sich zu verständigen – außerdem haben alle Schüler Lernenden ihre Fragen zu Hause vorformuliert. Letztlich konnte ich wohl beobachten, was alle möglichen Studien immer wieder aufzeigen: Jungen sind tendenziell selbstbewusster und kümmern sich weniger um Fehler, Mädchen sind eher zurückhaltend, schätzen sich selbst als schwächer ein. Wie ärgerlich: Mädchen erreichen durchschnittlich bessere Schulnoten, verhalten sich aber trotzdem eher defensiv.

Beides sind Dinge, die immer wieder angemahnt werden und offensichtlich ist auch mein Unterricht davor nicht gefeit.

Hm. Also:

Wie kann ich zukünftig die Hürde senken, Technologie als Werkzeug zu betrachten? Wie die Lust auf Experimente und Traial&Error steigern? Wie den Schülern Mut machen, sich und anderen Fehlern zuzugestehen? Und wie schaffe ich es, ganz besonders den Mädchen ein höheres Selbstvertrauen zu verschaffen?

Und allein, um mir das zu demonstrieren, hat sich das Projekt gelohnt.

#besserlernen #skype #projekt

5 Gedanken zu „Ein zweiter (kritischer) Blick auf das Skype-Event“

  1. Du kannst deine Klasse natürlich viel besser einschätzen, aber das erste, was mir dazu eingefallen ist, war, dass die Zurückhaltung vielleicht überwiegend nicht am mangelnden Selbstbewusstsein, sondern an einer kritischen, reflektierten Haltung gelegen haben könnte. Dass (die Schülerinnen) sich das Gesehene und Gehörte erstmal durch den Kopf gehen lassen wollten. Hast du deine Beobachtungen thematisiert?

  2. Was die Mädchenfrage angeht – ich sehe das von der nächsten Lebensstufe her, nämlich von der Beschäftigung studentischer Hilfskräfte. Es geht um einen Bereich, in dem umsichtiges, genaues Abarbeiten relativ gleichförmiger Dinge geht, die sehr interessant sein könnnen, wenn man sich ein wenig reinkniet. Ca. 80% der jungen Männer haben damit enorme Schwierigkeiten. Sie fragen zu wenig nach, ziehen Fehler durch, weil sie von ihrer eigenen Interpretation der Aufgabenstellung höchst überzeugt sind, können in der Regel sehr wortgewandt erklären, warum das alles prima ist, wie sie es machen, haben viele Verbesserungsvorschläge für Arbeitsabläufe, die sie selbst noch nie durchgeführt haben und vertrauen in hohem Maß darauf, dass der langweilige Teil der Arbeit schon von jemand anderem nachgearbeitet wird. Die Mehrzahl der Frauen dagegen beginnt zögerlich, fragt sehr viel, verbessert sich konstant und ist nach ein paar Monaten so weit, dass sie die Arbeitsabläufe um sie herum gedanklich mit einbeziehen.
    Mittlerweile zucken wir bei Bewerbungsgesprächen schon etwas zusammen, wenn so ein selbstbewusster Knabe daherkommt und erklärt, was er alles kann…

  3. Trial&Error – ich hatte mal einen Physiklehrer, der zu den Klassenarbeiten gerne Zusatzaufgaben vergab, bei denen er nicht das Ergebnis wertete, sondern allein die Kreativität…

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