In Alltag und Unterricht begegnet mir an vielen Stellen echtes Interesse. Nun will ich die Gelegenheit nutzen, diese Erfahrung in meinen Physikunterricht zu transportieren. Nur wie?
Als meine einjährige Tochter zuletzt in der Badewanne saß, spielte sie mit einer leeren Shampoo-Flasche. Immer wieder drückte sie die Flasche zusammen und meist geschah nichts. Aber manchmal, wenn der Flaschenhals zufällig unter der Wasseroberfläche war, saugte sich die Flasche voll und plötzlich gluckerte Wasser heraus.
Manchmal war die Flasche leer, manchmal floss wie von Zauberhand Wasser heraus. Immer wieder untersuchte sie konzentriert die Flasche, schüttelte um ganz sicher zu sein, dass sie wirklich leer war und dann, plötzlich, doch wieder Wasser drin. Minutenlang. Voller Interesse.
Ich habe einen Werkstatt-Kurs, bei dem ich mit einer Gruppen Schüler*innen aus der Mittelstufe Papierbrücken baue.
Dabei geht es mir nicht darum, eine vorgegebene Anleitung einfach Schritt für Schritt zu befolgen um eine irgendeine tolle Brücke zu bauen. Statt dessen lasse ich die Kinder forschen, experimentieren, testen. Damit erreicht man keine Preise bei Wettbewerben – aber um die geht es mir auch nicht.
Die aktuelle Aufgabe der Woche war nicht leicht zu meistern und führte in der Vergangenheit oft zu Frust und desolaten Arbeitsergebnissen. Aber das ist gewollt – denn im Anschluss sprechen wir über die Teamarbeit, was gut und was verbesserungswürdig war und welche Fettnäpfchen es beim Bau der wirklichen Papierbrücke in den kommenden Wochen zu vermeiden gilt.
In diesem Jahr habe ich eine tolle Gruppe gefunden: Es gibt keinerlei Streitereien, Frust wird mit Humor kompensiert und es herrscht eine entspannte Arbeitsatmosphäre. Und immer wieder erlebe ich die Schüler*innen tief versunken in ihrer Arbeit. Grübelnd, denkend, diskutierend. Voller Interesse.
Auch wenn an meiner Schule vieles digital läuft: Die MemoryTM Gedächtnis-Kartenspiele sind Erzeugnisse eines guten, alten Laminiergeräts.
Auf spielerische Art und Weise lassen sich Formeln merken und Zusammenhänge verstehen. Meine 10er diskutieren und lachen, schimpfen und grübeln. Wieder ist es da: Interesse. Der Drang, etwas verstehen zu wollen.
Interesse wecken, ohne zu überfordern
Guter Unterricht überfordert die Lernenden immer soweit, dass sie sich strecken müssen, um die Ziele zu erreichen. Sind die Anforderungen zu leicht, dann entsteht Langeweile und Desinteresse. Ist der Schwierigkeitsgrad zu hoch, erreicht man Frust und das Gefühl von „das konnte ich noch nie“.
Letztlich geht mir das genauso: Computerspiele sind oft entweder so leicht, dass sie mich schnell langweilen oder (viel öfter) so schwierig, dass ich schnell die Augen verdrehe und sie zum Leidwesen meiner Kinder beende. Die Zeit, als ich stundenlang über Day of the Tentacle gebrütet habe, ist mir zu kostbar geworden.
Vergangene Woche habe ich ein größeres Projekt abgeschlossen (ein andermal mehr dazu) und seitdem lässt mich der Gedanke des echten Interesses nicht mehr los.
Obwohl ich im letzten Halbjahr wirklich tolle Projekte im Physikunterricht gesehen habe, bin ich damit nicht zufrieden. Eigentlich will ich, dass mein Physikunterricht dergestalt ist, dass er Woche für Woche zum „Wow der Woche“ wird. Das Thema beschäftigt mich seit Jahren – und immer noch bin ich zu keinem Ergebnis gekommen.
Insgesamt suche ich einen „roten Faden“. Etwas, das vielleicht nicht allen Schülern Spaß macht aber zumindest bei jenen, die ein Interesse an Physik haben, wirkliche Leidenschaft weckt.
Bis zum neuen Schuljahr habe ich jetzt noch fünf Monate Zeit, mir intensiv Gedanken zu machen und allerlei Ideen ploppen in meinem Brainstorming auf.
Ich könnte meine Steampunk-Lerntheken noch etwas weiterspinnen und in eine Geschichte einspinnen.
Mein Corona-Mathematik-Abenteuer hat mir (in der Erstellung) sehr viel Freude bereitet.
Man könnte ähnliches im Weltraum ansiedeln – bspw. in der Internationalen Raumstation ISS.
Dort müssten Experimente und Berichte gefertigt werden und Modul für Modul arbeitet man sich bis zur Atomphysik (wichtig für Satelliten und Raumsonden) vor. Erklärvideos mit Greenscreen machen, als würde man aus dem Weltall Instruktionen geben. Vielleicht Mark Watney retten? Ein Edu-Break-Out? Der Bau einer Brücke?
Ich bin unsicher. Vielleicht suche ich auch nur etwas, dass mich selbst herausfordert und den Schüler*innen zumindest nicht zusätzlich auf den Zeiger geht. Aber ich bin über Ideen, Tipps und Inspiration dankbar.
Ihr habe da immer wieder so schöne Ideen;)
Alles Gute
Thara