Zum Inhalt springen

Mein Handy vibriert unangenehm laut in der Stille meines Zimmers. Tamara will wissen, wie meine Nacht war. Und, ich schreibe es den unergründlichen Wundern des Katholizismus zu, in dem 1,60m langen Bett habe ich ganz wunderprächtig geschlafen.
Die 5er haben sich ebenfalls tadellos verhalten, berichtet sie. Ab 21 Uhr hatten wir sie in die Zimmer verbannt – ab 22 Uhr galt Nachtruhe. Und ausnahmslos wurde sich daran gehalten. Perfekt.

Auf dem Weg zu meiner Klasse begegne ich gutgelaunt Schwester Maria. Mit unergründlichem Blick starrt sie zuerst mein Nerd-T-Shirt an (darauf ist heute e in ‚Adrenalin‘-Molekül), dann mich. Himmel, denke ich, die Morgenandacht…
„Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen“, sagt sie. Eingeschüchtert nicke ich wortlos. „Das Frauenzimmer, welches Sie heute morgen angerufen hat…“, fährt sie fort und mein Herz setzt aus. Ich erwarte Ärger, doch Schwester Maria deutet mit dem Finger auf mein T-Shirt: „Da hätte ich auch Adrenalin im Blut…“
Sie grinst verschmitzt und ich mache, dass ich davon komme.

Der Morgen beginnt wie jedes unserer Treffen. Tamara und ich sprechen kurz an, was in den vergangenen Stunden gut war und was noch verbessert werden muss. Wir sind da, gerade am Anfang, sehr streng – aber wir merken auch, dass den Kindern das gut tut. Sie wissen genau, woran sie bei uns sind, insgesamt bewegen wir uns auf hohem Niveau. Beispiel gefällig?
Zwar hat das Abräumen der Tische nach dem Essen richtig gut geklappt, aber die Klasse hat sich vorgenommen, sich zukünftig beim Küchenpersonal für das Essen zu bedanken. Das gehört sich so. Ich glaube, gutes Benehmen ist einfach wichtig. Und als zwei unserer Jungs ganz selbstbewußt eine Gruppe besonders cooler Berufsschüler anwies, sich beim Essen bitte am Ende der Schlange anzustellen, ahnten wir, hier läuft einiges richtig. (Tatsächlich hat sich eines der Jungenzimmer selbst so strenge Zimmerregeln aufgestellt, dass sogar Schwester Maria mit ihnen zufrieden wäre!)
Herausfordernd mit den Zwillingen ist die Zimmeraufteilung in Punkto Sicherheit. Klar dürfen die nicht mit irgendwelchen Rabauken ins Zimmer – aber das Problem ist ja viel schwerwiegender: Wenn sie beim Versuch zwischen Bett und Rollstuhl zu wechseln hinfallen, ist das unter Umständen lebensgefährlich. Umgekehrt ist es natürlich nicht besonders spannend, sich mit den Integrationshelferrinnen das Zimmer zu teilen, wenn man auf einer Klassenfahrt neue Freunde kennenlernt. Aber die Zimmerpartner (es sind immer 4er Zimmer) haben sich gegenseitig gefunden und genießen die Zeit miteinander. Die Integrationshelferinnen langweilen sich buchstäblich zu Tode. Die Zwillinge sind in der gesamten Klasse völlig aufgegangen und werden abwechselnd zu Tischtennisduell oder Verstecken spielen herausgefordert.

Und natürlich beginnen auch die ersten Romanzen in unserer Klasse. Der erste ist genervt, weil er mittlerweile drei Liebesbriefe von drei unterschiedlichen Mädchen unter seinem Kopfkissen gefunden hat („Herr Klinge…? Die Mädchen nerven mich!“). Dagegen hat ein Junge seine liebste Kekspackung heimlich vor das Zimmer seiner Angebeteten gelegt – und dafür von seinen Zimmergenossen ordentlich Dresche kassiert („Alter! Die hätten wir selbst essen können!“)
Zwei Jungs erzählen beiläufig, dass sie heute nicht duschen hätten müssen – dass hätten sie schon vor der Wanderung gestern erledigt, damit sie nicht stinken würden. Hach… Jungs 🙂

Ein Völkerballturnier und Fußballmatch lässt uns für das Schulduell gegen die anderen Klassen hoffen – wir haben da ein paar Granaten.

Sensationell (und stellenweise ganz schön eklig) war unsere Gelände-Rallye. Jede Gruppe (=jedes Zimmer) sollte etwas vorführen, was kein anderer kann. Da wurde Breakdance aufgeführt und mit den Augen so wild in den Höhlen gekullert, dass wir uns entsetzt abwanden. Ein Mädchen vermochte ihren Unterarm in einer weise zu verdrehen, die nicht gesund sein kann; eine andere konnte einen Knoten in ihr Ohr (sic!) machen und so weiter und so fort. Ein Gruselkabinett der Besonderheiten. Ganz spannend zu beobachten war auch eine weitere Aufgabe: Jeweils in Junge (bzw. Mädchen) aus jeder Gruppe sollte sich als Mädchen (bzw. Jungen) verkleiden. Auch hier wurde sich ins Zeug gelegt – Röcke und Unterhemdchen, Schminke und Fussballschuhe wechselten kurz die Besitzer. Und alles, ohne dass jemand ausgelacht wurde.

Abends noch Geburtstagskegeln. Mit ein, zwei Schülern wurde die Kegelbahn mit Luftballons und Luftschlangen geschmückt und bei jedem gemeinsamen Treffen erst einmal „Happy Birthday“ geschmettert. Ziemlich cool: Die Kegelbahn hat eine „Abwurf“-Vorrichtung für Behinderte – so konnten auch die Zwillinge mitkegeln.
image

Ein guter Tag. Ein richtig guter sogar. Auch schön (und heute nicht mehr selbstverständlich): Alle Kinder sind noch da. Keines, dass mit Heimweh geflohen und keines, das wegen Fehlverhaltens nach Hause geschickt wurde.
Und ja.. ein bisschen freue ich mich darauf, gleich Schwester Maria zu begegnen und meine kleine Zelle für eine letzte Nacht zu beziehen. Mit dieser Klasse werden wir eine Menge Freude haben.

7 Gedanken zu „Klassenfahrt mit Hindernissen 2“

  1. Ich finde es richtig spannend zu lesen, was das für eine Erfahrung für einen Lehrer ist.
    Ich diese Woche von meinem Betrieb aus in den Kinderferiendorf zum Kennenlernen, wo wir in der 4. Klasse waren. Das ist toll, welche Erinnerungen einen noch bleiben.
    Aber viel spannender, das wussten wir ja früher nicht, wie es ein Lehrer erlebt. Ich finde das super spannend, also noch viel Spaß beim letzten Tag und das alle Kinder und Lehrer gesund nach Hause kommen.

  2. ich finde es erstaunlich, dass Ihre Kollegin alleine die Nachtwache übernommen hat :-O und noch viel erstaunlicher, dass die Kinder wohl wirklich anständig waren. Nachts war immer am meisten los auf den Klassenfahrten/Freizeiten, die ich erlebt habe 😀

  3. Pingback: Klassenfahrt II – Letzte Vorbereitungen – halbtagsblog

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert