Zwei Hühner auf dem Weg nach Vorgestern (Reinhard Mey)
Manchmal habe ich den leisen Verdacht, dass die da oben im Ministerium oder in Arnsberg keine Ahnung haben, dass Leute wie ich Kinder und Jugendliche…
Manchmal habe ich den leisen Verdacht, dass die da oben im Ministerium oder in Arnsberg keine Ahnung haben, dass Leute wie ich Kinder und Jugendliche…
Vorbemerkung: Dieser Artikel dient mir selbst zur Strukturierung meiner Gedanken und mag dem ein oder anderen einen Einblick darin geben, wie Unterricht geplant wird.
Nicht, dass ich die Sommerferien nicht genießen würde.
Die vergangenen Tage habe ich nichts anderes gemacht, als in der Sonne zu braten und das Leben zu genießen. Ich merke dann nach kurzer Zeit der Tatenlosigkeit, wie meine Gedanken anfangen zu rotieren. Ich grüble, denke, probiere, lese.
Im Augenblick steht mein Physikunterricht im Zentrum meines Denkens:
Wie kann mein Unterricht so großartig werden, dass die Schüler keine Stunde verpassen wollen?
In dieser Phase (ich habe ja noch einige Wochen Zeit, bis es wieder losgeht) sammle und sortiere ich das, was ich schon weiß, erlebt habe oder mich an irgendeiner Stelle beeindruckt hat.
Der Reihe nach.
Martin Wagenschein
Wagenschein war ein deutscher Physiker und Pädagoge, der sich stark im Bereich der Fachdidaktik engagierte. Er entwickelte das genetische Lernen weiter und kritisierte am normalen Unterricht vier Punkte, die er “Verdunkelndes Wissen” nannte:
Bei aller Kritik an Wagenschein ist sein Ansatz zu genetischem Lernen fantastisch: Dinge müssen richtig verstanden und nicht blind auswendig gelernt werden. Konkretes Beispiel: Meine Wahrnehmung sagt mir, dass die Sonne (!) sich um die Erde dreht. Die Sonne “geht auf”. Wie kann man sauber beweisen, dass dem nicht so ist? Und zwar ohne die genannten Apparaturen (die doch wieder nur irgendetwas behaupten) und ohne Fachsprache, die Fachwissen vortäuschen, aber kein echtes Verstehen vermitteln kann.
Martin Kramer
Kramer ist Theaterpädagoge und Lehrer in Tübingen. Seine Bücher Physik als Abenteuer empfehle ich wärmstens. Sein Ansatz: Was ich erlebe, brauche ich nicht zu lernen. Er arbeitet viel mit Darstellen und Gestalten, nutzt Kuscheltiere und Schüler für anschauliche Modelle. Seine Arbeit empfinde ich gleichermaßen als brillant und herausfordernd – da bei uns Physik nur in 7 und 10 unterrichtet wird, ist es aber schwer, die Schüler richtig zu packen. Bei ihm würde ich gerne hospitieren.
Christian Spannagel
Spannagel war mein Professor in Ludwigsburg, mittlerweile lehrt er in Heidelberg. Bei ihm ist mir der flipped classroom zum ersten Mal begegnet: Seine Vorlesung kann soll man sich auf Youtube ansehen – in der Uni selbst werden dann Fragen besprochen und Gelerntes angewandt. Eine Umsetzung an Schulen findet hier und da statt. Auch meine Schüler erzählen mir, dass sie sich dieses und jenes in Youtube-Videos noch einmal erklären haben lassen. Finde ich grundsätzlich spannend – aber meinen eigenen Unterricht in Youtube zu stellen, kann ich mir aus verschiedenen Gründen nicht vorstellen. Trotzdem ist der Gedanke, Lernen auszulagern, prinzipiell aufregend.
Außerdem denke ich an meine eigene Lerntheke Filme im Physikunterricht – das war schon ziemlich cool. Allerdings sind diese Beispiele nur nützlich, wenn man die Gesetze schon kennt. Zum verstehen (warum ist Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung?) taugt sie nichts. Spannend war überdies jener Physikkurs, der ein rein digitales Heft führen sollte. Auch diesen Schülern hat das durchaus Spaß gemacht.
Wir haben eine wirklich gute, mit verschiedenen Preisen gekrönte Theatergruppe in der Schule und erst im Alter beginne ich den Wert von Kultur wertzuschätzen.(Als Schüler…
Heute abend stellte das ZDF in einer Dokumentation die Frage „Wie gut sind unsere Lehrer?„.
Über die Qualität solcher Dokumentationen kann man immer streiten. Ebenso darüber, ob man sich als Lehrer einen Gefallen tut, wenn man sich im Alltag filmen lässt. Eine 40-minütige Dokumentation kann einem einzigen Thema nicht gerecht werden – und das ZDF hat von Inklusion über Abitur bis zu Evaluation jedem Thema gefühlte 5 Minuten gewidmet.
Schwierig.
Einen Aspekt möchte ich gerne aufgreifen, weil er mich persönlich nervt: Evaluation.
Jeden morgen, wenn ich unter der Dusche stehe, schleicht sich meine Tochter nach unten und deckt den Tisch. Oft versteckt sie sich dann unten und…
Die letzten drei Tage waren an meiner Schule Cybermobbing-Projekttage. Die werden jedes Jahr für die sechsten Klassen durchgeführt. Dieses Mal gab es unter anderem ein…
Vor einigen Tagen unterhielt ich mich mit einem Freund über sein Arbeitsumfeld. Er möchte Arzt werden und wechselt während seines PJs alle sechs Wochen die Station. Auf diese Weise sieht er in kurzer Zeit sehr unterschiedliche Arbeitsbedingungen.
Zuletzt war er nicht besonders glücklich: Die Schwestern waren chronisch überarbeitet und hatten wenig Zeit; wann immer er irgendwo dabei stand, wurde er angeranzt sich doch “wenigstens mal vorzustellen” – und wenn er sich dann ständig vorstellte hieß es “wissen wir längst!”.
Seit einer Woche ist er eine Station weitergezogen und erlebt ein völlig anderes Arbeitsklima: Die Schwestern sind sehr nett und aufgeschlossen – wenn sie eine Pause brauchen, nehmen sie sie sich. Ein Oberarzt bat ihn zuletzt, etwas länger zu bleiben und mein Freund kam 5 Stunden später nach Hause, als eigentlich geplant. Erschöpft, aber glücklich.
Wir haben uns länger über dieses Phänomen unterhalten. Auch über mein eigenes Arbeitsklima.
Noch zwei Tage, dann ist diese Kokolores-Woche rum.
Gestern sind wir den „Grubenweg“ entlang gewandert. Vor einigen Jahren hat ein Kollege mit dem Kurs “Gemeinnützig Handeln” an unserer Schule einen 8 Kilometer langen Pfad durch den Wald entlang vieler Bergbaugruben erschlossen und mit Infotafeln versehen. Herausfordernd war der Weg für meine Rollstuhlkinder und dieser Ausflug ist ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten, die das Thema Inklusion mit sich bringt:
Grundsätzlich ist der Pfad in Rollstühlen unpassierbar. Punkt.
Als Lehrer stehe ich nun vor einem Problem: Der Bergbau gehört zur Tradition der Stadt Siegen und als solches ist so ein Ausflug im Sinne der Heimatkunde berechtigt. Wenn ich jetzt (überspitzt) sage: “Tut mir leid, können wir nicht machen und werden wir nie machen können, weil wegen den beiden!” – dann sind die anderen Schüler genervt und mit zunehmender Dauer werden Inklusionskinder zum Zentrum für Ärgernisse. “Nie können wir die lustigen Dinge machen!” Das wird in Zukunft mehr und mehr Kollegen betreffen. Und von den Schülern wird sich der Frust auf die Eltern übertragen – Inklusion ja bitte gerne, aber nicht neben meinem Wilhelm Maximilian!
Es ist für uns Lehrer sehr schwer die Balance zu finden, zwischen Projekten die alle machen wollen und Projekten, die alle machen können. Ich bewahre mir dabei eine gewisse Naivität, gepaart mit einem Schuss Sturheit:
Wir haben den Ausflug einfach gemacht. Mit Rollstühlen.